Funktionskieferorthopädie

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Das Prinzip der Funktionskieferorthopädie wurde von Robin Ende des 19. Jahrhundert entdeckt und im Laufe des letzten Jahrhunderts von vielen bekannten Kieferorthopäden wie Andresen u. Häupl, Herbst, Fränkel, Balters, Bimler oder Teuscher, Bass und Clark modifiziert. Es beruht auf einer therapeutischen Bisslageeinstellung, einem Konstruktionsbiss, um das Wachstum des Unterkiefers in die entsprechende Richtung zu lenken. In Wirklichkeit sind die einzelnen Wachstums- und Remodellationsprozesse im Gesicht wesentlich komplexer als früher angenommen, doch entscheidend für den praktischen Einsatz dieser Geräte ist die seit vielen Jahrzehnten dokumentierte therapeutische Wirkung bei entsprechender Indikationsstellung.

In unserer Praxis werden folgende funktionskieferorthopädische Geräte regelmäßig eingesetzt:

Aktivator nach Andresen/Häupl: Das klassische funktionskieferorthopädische Gerät ist robust und im Aufbau sehr übersichtlich. Durch selektives Einschleifen im Seitenzahnbereich kann die vertikale Entwicklung der Alveolarfortsätze gezielt beeinflußt werden.

Bionator nach Balters: Im Gegensatz zum klassischen Aktivator ist der Bionator in seiner Form und Größe skelettiert und reduziert. Über Buktionatorschlaufen wird die Wangenmuskulatur von den Seitenzahnsegmenten abgehalten.

Aktivator nach Teuscher: In dieser Modifikation des Aktivators wird über einen Außenbogen (Headgear) die vertikale Entwicklung des Oberkiefers kontrolliert. Über spezielle Torquefedern wird dem Kippen der Oberkieferfrontzähne nach innen – eine unerwünschte Nebenwirkung vieler funktionskieferorthopädischer Geräte – gegengesteuert.

Funktionsregler nach Fränkel: Während die meisten funktionskieferorthopädischen Geräte von der Innenseite des Gebisses wirken, liegt der Funktionsregler vorwiegend auf der Wangenseite. Durch das Abhalten der Wangen und gezieltem Zug am Ansatz des Alveolarfortsatzes wird eine Nachentwicklung der gewünschten Kieferbereiche erreicht. Durch die Lage im Vestibulum wird das Sprechen nicht beeinflußt, so daß eine Tragen des Gerätes auch am Tage problemlos möglich ist und dadurch den Charakter eines Trainings- und Übungsgerätes erhält. Sehr effektiv ist eine Modifikation des Funktionsreglers bei Behandlung des progenen Formenkreises.

Twin-Block: Der von William Clark in den neunziger Jahren des letzten Jahrhundert publizierte Twin-Block besteht aus für Ober- und Unterkiefer getrennten Plattenapparaturen, die über eine Verschlüsselung der seitlichen Aufbisse eine therapeutische Vorverlagerung des Unterkiefers gewährleisten. Der Vorteil dieser beiden jeweils für den Ober- und Unterkiefer getrennten Plattensystemen liegt vor allem darin, dass eine bessere Kooperation durch eine weniger behinderte Aussprache erreicht werden kann und gleichzeitig die Alveolarfortsätze von Ober- und Unterkiefer ausgeformt werden können.

Bassgerät: In dieser Modifikation ist das funktionskieferorthopädische Gerät auf eine Oberkieferplatte mit seitlichen Aufbissen reduziert. Über innenliegende Vorschubpelotten wird die im Konstruktionsbiss festgelegte Vorverlagerung des Unterkiefers sichergestellt. Mit einem Außenbogen (Headgear) wird die vertikale Entwicklung des Oberkiefers kontrolliert. Vorteile des Gerätes ist die Möglichkeit den meist zu schmalen Oberkiefer aktiv nachentwickeln zu können und gleichzeitig die Position der Unterkieferfrontzähne über eine festsitzende Apparatur auszurichten.

Pflegehinweise: Die herausnehmbaren funktionskieferorthopädischen Kunststoffgeräte sollen nach jedem Gebrauch unter fließendem Wasser gereinigt werden. Morgens und abends ist eine mechanische Reinigung mittels einer alten Zahnbürste und etwas Spülmittel empfehlenswert. Während der Zeit in der die Geräte nicht getragen werden, sollte die Lagerung in Wasser erfolgen, um ein Austrocknen des Kunststoffes zu vermeiden. Einmal pro Woche können die Geräte auch in Essigwasser oder verdünnter Zitronensäure entkalkt und gereinigt werden. Bitte benützen Sie keine Spangenreinigungstabletten, da diese den Spangenkunststoff sehr stark angreifen.

Neben den oben angeführten herausnehmbaren funktionskieferorthopädischen Geräten ist in den letzten Jahren wieder ein festsitzendes Gerät wiederentdeckt worden, dessen Hauptvorteil die Kooperationsunabhängigkeit von Seiten des Patienten ist:

Herbstscharnier: Das Herbstscharnier ist das einzige festsitzende funktionskieferorthopädische Gerät. Dadurch wird eine kooperationsunabhängige Tragedauer von 24 Stunden pro Tag erreicht. Das Herbstscharnier wird mittels Bänder oder Stahlkronen im Ober- und Unterkiefer verankert. Über ein Teleskopgeschiebe wird der Unterkiefer in der therapeutischen Vorbissstellung gehalten. Neben der Bisslageeinstellung ist mit dem Herbstscharnier auch eine Entlastung des Kiefergelenkes möglich.